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Meine Abenteuer mit Büchern, 2: Chinesische Transvestiten

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Heinrich Becker irgendwann nach 1950 auf den Aran-Inseln
Heinrich Beckers letzte Veröffentlichung, 1999
Heinrich Beckers letzte Veröffentlichung, 1999

So ging das dann weiter mit meinen „Chinesischen Transvestiten“

Wir erinnern uns, ich stehe mit meinem Buch im Pearse-Haus in Rosmuc … Der Mann vom Pearse-Haus sah mein Buch an und sagte: „Ja, ja, es gab ja immer gute Beziehungen zwischen Deutschland und Irland“, und er habe gerade erst vor wenigen Tagen auf Raidio na Gaelteachta eine Sendung über diesen deutschen Autor gehört, Heinrich … Heinrich … „Böll“, sagte ich angeekelt.

Natürlich verbindet mich als katholische Rheinländerin viel mit Böll, aber hier wollte ich über Pearse und die gälische Sprache sprechen, und der kommt mir mit Böll, der über das Gälische nur wenig und dann arroganten Unsinn geschrieben hat. „Ja, ja“, sagte der Museumsmann glücklich. „Nach 1939 hat der in Ros a‘ Mhil gelebt, und so gut Irisch hat er gesprochen, hat ja ganz viel geschrieben und …“

Da fiel der Groschen. „Nicht Böll, Becker“, sagte ich noch viel glücklicher. „Das war mein Irischlehrer an der Uni in Bonn.“ Worauf der Museumsmann sich noch viel mehr freute. Ich hatte Heinrich Becker gekannt, ach, was für ein großer Mann und was für ein wunderbarer Gelehrter, und mit neunzig noch ein Buch geschrieben. Und überhaupt. Wir waren in Pearsens Haus, aber Pearse war vergessen, und ich wurde rumgezeigt, denn ich, ich hatte Heinrich Becker gekannt.

Heinrich Becker, das hat er uns damals an der Uni nie erzählt, ich weiß es aus neueren Büchern über deutsche Nazis in Irland und irische Nazis in Deutschland, war als Austauschstudent in Dublin, als 1939 alle Deutschen aus Irland heim ins Reich gerufen wurden. Und alle folgten dem Rufe. Bis auf Heinrich Becker, der setzte sich in den damals noch sehr wilden Westen Irlands ab, versteckte sich bei den Fischern auf den Aran-Inseln, bis niemand mehr nach ihm suchte, lernte fließend Irisch und sammelte Geschichten, Sagen, Märchen, Schwänke und alles über die Seetangwirtschaft.

Woran es wohl liegen mag, daß er später in Deutschland nie eine Professur bekam, sondern sich mit Lehraufträgen durchschlagen mußte? An seinen Qualifikationen lag es einwandfrei nicht. Daß er in Westirland solchen Ruhm genießt, hat mich für ihn so gefreut! Und ich weiß jetzt, was es für ein aufregendes Gefühl ist, irgendwo als Zeitzeugin ausgefragt zu werden.

Ein Gastbeitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig


Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag weitersagen:
Gabriele Haefs

Gabriele Haefs

Ein Gedanke zu „Meine Abenteuer mit Büchern, 2: Chinesische Transvestiten“

  1. Das muss ich doch noch unbedingt anmerken … Für mich ist diese Fortsetzungsgeschichte – obwohl angekündigt – eine totale und besondere Überraschung! Eine wunderbare Idee, die so gut zeigt, was sich rund um ein Buch alles abspielen kann, welche Begebenheiten damit verknüpft sind, welche Gedanken bewegt werden … Und Gabriele ist ohnehin vielseitig engagiert, immer in Bewegung … Darüber berichte ich ein anderes Mal 🙂

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