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Babylonische Sprachverwirrungen II – Friesisch

Daß manchmal auch der tapferste Versuch scheitert, eine neue Sprache zu lernen, habe ich beim Indonesischen erlebt. Noch frustrierender ist es, wenn das Lernen gar nicht richtig losgeht. Beim Friesischen, zum Beispiel. Immer, wenn ich in einem friesischsprachigen Gebiet unterwegs war, bin ich danach total hin und weg und würde so gern mehr lernen, allein schon um zu erfahren, warum es heißt, he süpt üs een elk, „er säuft wie ein Marder“. Saufen Marder soviel, wieso heißt „elk“ nicht Elch?

10 „Nordfriesische Sprüche“ auf einer Postkarte, von Gabriele Haefs auf Amrum erworben
Punkt 2 stimmt nicht, soviel ist immerhin klar. Fering ist nur die Friesisch-Variante, die auf Föhr gesprochen wird

Es gibt so viele schöne Wörter und Redensarten im Friesischen. Als ich nach Hamburg kam, konnte man hier an der Uni Friesisch lernen. Der Friesischlektor hatte einen Raum und gab Kurse. Aber ich hatte schon so einen vollgestopften Studienplan und dachte, Friesischlernen kann ich ja immer noch. Das ist natürlich endlos lange her, es trug sich in einer Zeit zu, da sich niemand vorstellen konnte, daß an der Hamburger Uni das Sprachangebot auf ein winziges Minimum zusammengestrichen werden würde. Im Zeitalter der Globalisierung sind Sprachen schließlich das letzte, was irgendein Mensch braucht, so haben sicher die Herren von der Streichkommission in ihrer unendlichen Weisheit gedacht …

Na gut, denkt die sprachlernlustige Person, wird ja wohl Kurse geben. Und die gibt es, in reicher Auswahl. Immer von der VHS in irgendeinem friesischsprachigen Ort veranstaltet, einmal die Woche anderthalb Stunden an einem Abend, meistens donnerstags, warum auch immer, Reisezeit mindestens zweieinhalb Stunden, in einer Richtung, wohlgemerkt. Warum machen die keine Wochenkurse, wo man dann fünf Tage lang mit Friesisch vollgestopft wird und dann das Gefühl hat, auch in freier Wildbahn eine Chance zu haben? Nordkolleg Rendsburg, Nordfriesisches Institut Bredstedt, ein Reinfall nach dem anderen. Wat kön wir maage?

Ansichtskarte vom Nordseestrand, von Gabriele Haefs auf Amrum gekauft
Hinten auf der Karte steht: „Am naachtem raut a strun.“ Das bedeutet leider nicht: „Nachts röhrt der Strand.“

Winzigkleine Schritte lassen sich auch ohne gefestigte Kenntnisse tun. In dem grauslichen Amrumer Heimatlied „Dü min tüs min öömrang lun“ kommt die Stelle vor: trauhaid luket ütj ark wönang. Eine auf der Insel verkaufte Postkarte mit Übersetzung teilt mit: „Hier schaut Geborgenheit aus jedem Fenster.“ Bestimmt schneidet sie dabei furchtbare Grimassen und fletscht furchterregend die Zähne! Auf der Karte steht nicht, wer diese entsetzliche Übersetzung verbrochen hat, und das ist sicher auch besser so. „Der Schimmelreiter“, als „De Skemelrütter“ auf drei Seiten geschrumpft, wirkt befremdend. (Den „Kleinen Häwelmann“ gibt’s immerhin vollständig, aber kann nicht mal jemand „Vom Winde verweht“ ins Friesische übersetzen, damit wir mit Lust ans Lesen gehen können?) Eine Übersetzung von „Max und Moritz“, die die schöne Zeile „Ritzeratze, voller Tücke in die Brücke eine Lücke“ fast ohne Binnenreim liefert, erweckt in der lernbegierigen Person das Gefühl, sowas nun gar nicht lesen zu wollen und eigentlich schon verdammt viel zu wissen. Aber nicht genug. Was können wir also machen? Jä, nu riad jam ens. (das heißt: „Jetzt rat mal!“). Mein Lieblingswort ist neuerdings „tarepshole.“ Wörtlich übersetzt heißt das „Dorfbulle“, aber gemeint ist kein gemütlicher Gendarm, der das Wohl und Wehe des Dorfes getreulich überwacht, sondern ein testosteronstrotzender Jungmann, der sich für unwiderstehlich hält. Ein wunderbares Wort, viel zu schade für das, was damit gemeint ist.

Wie aber würden wohl die Herren von der Kommission benannt werden, die einfach so aus purer Blödheit an einer Universität so gut wie alle Sprachen streichen? Das wüßte ich gern, aber wo kann ich das lernen? Wat kön we maage?

Ein Gastbeitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig


Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag weitersagen:
Gabriele Haefs

Gabriele Haefs

4 Gedanken zu „Babylonische Sprachverwirrungen II – Friesisch“

  1. Im September 2017 errang die Petition „Erhaltung des Instituts für Niederdeutsche Sprache (INS)“ mit 6.872 UnterstützerInnen einen Teilerfolg, s. https://www.openpetition.de/petition/online/erhaltung-des-instituts-fuer-niederdeutsche-sprache-ins …
    Über die Verhandlungen gibt es hier einen Bericht mit Podcasts der Diskussionen und Informationen: http://www.radiobremen.de/bremenzwei/veranstaltungen/bremen-zwei-unterwegs/niederdeutsche-sprache100.html

  2. Gerade machte ich die Entdeckung eines plattdeutschen Kochbuchs von der Waterkant, das ein von mir geschätzter Kollege geschrieben hat: vierzig traditionelle Rezepte. Auf seiner Website ist eine schöne Auswahl zu lesen, wobei mir gleich das Wasser im Mund zusammenläuft 🙂 http://butenschoendesign.de/?page_id=84

  3. [Die Deutsche Auslandsgesellschaft e. V. in Lübeck bildet im Auftrag des Auswärtigen Amtes Deutschlehrkräfte aus Nord- und Nordosteuropa fort.] Friesisch ist (noch) nicht auf dem Zettel bei der Planung von Fortbildungskursen, aber es ist eigentlich eine sehr gute Idee! Wir sollten und wollen wieder mehr inner-schleswig-holsteinisch einerseits und zu Sprachen und Mehr-/Meer-Sprachigkeit andererseits machen. Die sehr unterschiedlichen Positionen der drei Sprachen Dänisch, Friesisch und Niederdeutsch im schon ohne die bereichernden Sprachen von Migrantinnen und Migranten tatsächlich 4-sprachigen Schleswig-Holstein lohnt es genauer zu untersuchen.

    1. Na, Meck-Pomm ist auch agil und hat Plattdeutsch-Pläne, die in den kommenden Jahren verwirklicht werden sollen … Im Spiegel stand am 18.4. der Artikel „Kuriose Abiturfächer: Reif für Platt“ http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/plattdeutsch-im-abitur-diese-andere-kuriosen-abi-faecher-gibt-es-a-1086923.html

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