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Literatur bringt die Welt ins Haus – Nils-Aslak Valkeapää

Nils-Aslak Valkeapää – Foto: Sepuo Pakinai
Nils-Aslak Valkeapää – Foto © Sepuo Pakinai

In diesem Jahr war ja nun Finnland Gastland auf der Frankfurter Buchmesse, doch dabei wurde die Tatsache, daß es neben Finnisch und Schwedisch eine dritte Sprache in Finnland gibt, Samisch, äußerst sorgsam unter den Teppich gekehrt. Auf der offiziellen Buchliste von Finnland.cool fand sich ein samisches Buch, sicherheitshalber mit komplett falschen Bezugsangaben. Doch dieses Buch … es ist von Nils-Aslak Valkeapää (1943–2001). Valkeapää, von Freunden Ailu genannt, war einfach ein Genie: Autor, Maler, Sänger, Musiker, Filmemacher, er trug samische Lyrik und samisches Joiken in alle Welt. Er war der bisher erste und einzige samische Autor, dem der prestigeschwere Literaturpreis des Nordischen Rates zuerkannt wurde.
Natürlich nicht sofort, wir haben es hier schließlich mit einem samischen Autor zu tun. Sein Gedichtband „Beaivi áhčážan“ („Sonne, mein Vater“) wurde nominiert und sogleich disqualifiziert. Samisch, so hieß es, stehe nicht auf der Liste der zugelassenen Sprachen. Klar, der Preis wurde ja auch eingerichtet, als der samischen Bevölkerung in Norwegen, Schweden und Finnland das Samischsprechen mit allen Mitteln ausgetrieben werden sollte. Ailu, der so elegant Schwedisch schrieb wie Samisch, übersetzte sein eigenes Werk nun ins Schwedische und wurde abermals disqualifiziert. Übersetzungen, die neue Begründung, könnten nicht berücksichtigt werden. Nun aber erhob sich ein solcher Proteststurm, daß die Regeln ganz schnell geändert wurden.

1990 wurde Ailu dann endlich mit dem längst verdienten Preis ausgezeichnet. Die Verleihungszeremonie, die in jenem Jahr in Kopenhagen stattfand, wurde im Radio übertragen und war zunächst an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Was es denn so für ein Gefühl sei, als erster samischer Autor diesen wichtigen Preis zu erhalten, fragte der Moderator gönnerhaft. Schweigen. „Nett“, sagte Ailu nach reiflichem Überlegen. „Aber hier sind so viele Leute im Saal, ist das nicht ein seltsames Erlebnis für einen Samen?“, war die nächste Frage. Klar, ein samischer Dichter verbringt sicher seine Tage auf der eisigen Hochebene, mit seinem getreuen Rentier als einzigem Gesprächspartner. Noch längeres Schweigen als beim ersten Mal. Dann sagte Ailu auf seine charakteristische bedächtige Art: „Ach, vorige Woche war ich in Tokio. Da waren noch mehr Leute.“

Postkarte

Der Moderator schwieg betreten. Ich aber hatte an diesem Morgen diese Postkarte aus Tokio bekommen, und so hatte ich einen ganzen Abend lang beim Radiohören das wunderbare Gefühl, durch meine Postkarte in direkter Verbindung zur Weltliteratur zu stehen.

Das zur Messe auf Deutsch erschienene Buch enthält Essays, keine Gedichte, und ist noch dazu aus dem Englischen übersetzt, aber dennoch, es muß hier erwähnt werden, zur Erinnerung an einen ganz großen Dichter, der noch dazu die schönsten Postkarten aller Zeiten schrieb.

Nils-Aslak Valkeapää: Grüße aus Lappland, Samica Verlag (übersetzt von vielen Leuten, ohne Angabe zu den einzelnen Texten)

Ein Gastbeitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig


Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag weitersagen:
Gabriele Haefs

Gabriele Haefs

9 Gedanken zu „Literatur bringt die Welt ins Haus – Nils-Aslak Valkeapää“

  1. Hallo,
    auf der letzten Buchmesse habe ich erfahren, dass in nächster Zeit eine deutsche Fassung eines Gedichtbandes mit ca 500 Gedichten von Nils Aslak Valkepää erscheinen soll.
    Leider habe ich bislang noch nicht den Verlag gefunden, der das das Buch herausgibt.
    Vielleicht können Sie mir nähere Informationen geben.

    Sind noch weitere Bücher von Ihm auf Deutsch erschienen?

    Vielen Dank
    M.Schwehm
    Vielen Dank

    1. Nein, tut mir leid, ich weiß nicht von einem neuen Buch mit seinen Gedichten, habe keinerlei Kontakt zum Nachlaßverwalter (das ist eine Stiftung, die sehr zögerlich auf Anfragen antwortet), ich habe ja nur ihn gekannt, und das ist lange her. Das sind die Bücher, von denen ich weiß:
      Ich bin des windigen Berges Kind, Verlag im Waldgut, 1985, übersetzt von U.Schwaar, nur noch antiquarisch erhältlich (sehr zu empfehlen)

      Grüße aus Lappland, hrst.vom Skandinavischen Institut der Universität Freiburg, 2014, Essays, die erstmals 1971 erschienen sind, hier übersetzt nach der englischen Übersetzung, ohne Übersetzerangaben zu den einzelnen Texten. , absolut abzuraten, es sind Essay von ihm aus den 70er Jahren, zu denen er selbst später nicht mehr stand, dazu absolut grottenschlecht übersetzt, das läßt sich natürlich kaum vermeiden, wenn man Übersetzungen von Übersetzungen übersetzt, aber aus dem Choral „Ein‘ feste Burg ist unser Gott“ (auch im lutherischen Finnland weit verbreitet) „Unser Gott ist eine starke Festung“ zu machen, weil man es nicht nötig hat, irgendwas nachzuschlagen, dazu ist schon ein hohes Maß an Dilettantismus nötig!

    1. Oh, noch ein Norwegisch-Übersetzer. Ich lese ja andauernd Krimis aus der ganzen Welt, doch bin ich leider eine miserable Namensmerkerin, so lange ich keinen irgendwie gearteten persönlichen Kontakt hatte 🙁 Na, das ist ja jetzt auf seine Art ein solcher 😉

    1. Ich nehme stark an, dass Gabriele schon Bescheid weiß!? Wie ich gerade gesehen habe, befindet sie sich bereits mit mehreren Beiträgen in dem Autorenregister der letzten Ausgaben der Zeitschrift. Ich lerne andauernd dazu 😉

  2. Auf Deutsch gibt’s leider nicht sehr viel. Hier ein paar Vorschläge:
    Kirsti Paltto: Zeichen der Zerstörung, Persona Verlag,
    Diverse: Alles absolut bestens mit mir, Edition 5, darin ist eine Geschichte von Kirste Paltto (früher: Kirsti), in der es über die Aufgabe der samischen Kultur geht
    Nils-Aslak Valkeapää: Nordland, Verlag im Waldgut (gibt’s nur noch antiquarisch)

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