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Meine Abenteuer beim Übersetzen, 24: Wie ich einmal einen Bestseller nicht übersetzt habe

Lajla Rolstad – © btb-Verlag

Eine Frage kommt bei Lesungen unvermeidlich: „Wie kommen Sie denn an die Übersetzungen?“ Diese Frage wird hier und jetzt nicht beantwortet, denn es gibt so viele Möglichkeiten, „an eine Übersetzung zu kommen“, daß eine lange, verworrene Antwort nötig wäre. Und hier soll es ja um den nicht-übersetzten Bestseller gehen. Damit verhielt es sich so. Es ist vier Jahre her, da fragte ein Verlag, über den ich wirklich nur Gutes sagen kann, ob ich ein Buch übersetzen könnte. Sie hatten zwei norwegische Titel eingekauft, die sollten gleichzeitig erscheinen, müßten also gleichzeitig übersetzt werden, und ich sollte mir einen aussuchen.

Ich hatte beide nicht gelesen. Aber von Lajla Rolstad, die das eine Buch geschrieben hatte, kannte ich einen phantastischen Steam-Punk-Roman. Der Titel, übersetzt: „Der Nekronaut“, zeigt doch schon, daß es große Lektüre war. Leider fand sich kein deutscher Verlag für dieses Meisterinnenwerk, was ich absolut nicht begreifen konnte. Es stellte sich dann heraus, daß das norwegische Publikum so gar keinen Sinn für Steampunk hat, deshalb hatte ihr dortiger Verlag die arme Lajla Rostad gebeten, doch lieber etwas anderes zu schreiben. Um dieses „andere“ ging es also. Aber ich dachte, ist bestimmt auch gut, eine Frau, die den „Nekronaut“ geschrieben hat, schreibt kein schlechtes Buch. Das andere Buch, wie gesagt, kannte ich nicht, nie von dessen Autorin gehört.

Und dann kam noch eine Mail von einer norwegischen Bekannten. Ihre Freundin Lajla Rolstad habe ein Buch geschrieben, das einen deutschen Verlag gefunden habe, und sie würde sich so freuen, wenn ich übersetzte.

Jack London – © Wikipedia Commons

Kurzum, gab es einen Grund, da ich mir schon eins aussuchen mußte, nicht das Buch von Lajla Rolstad zu nehmen? Es ist auch wunderbar. Es handelt von einer Autorin, die einen Steampunk-Roman geschrieben hat, und deren Verlag sie bittet, doch mal was leichter Verkäuflicheres zu schreiben. Sie findet dann einen Job in Kanada, soll auf einer abgelegenen Insel einhüten, und obwohl ihr zugesagt worden ist, daß sie dort nicht allein sein würde, haben sich die anderen alle abgesetzt. Da sitzt sie dann und kommt auf den Geschmack und erforscht die Wildnis, lernt seltsame, spannende und total langweilige Leute kennen (von der Sorte, wie wir sie an jeder Bushaltestelle treffen und nicht gerade in einem Reservat im Wilden Westen erwarten …), es ist die perfekte Lektüre für alle, für die Jack London der erste bewußt wahrgenommene Autor war, und also, es war ein Vergnügen, dieses Buch zu übersetzen.

Dann war die Übersetzung fertig, und es passierte – nichts. Bestimmt hatte der Verlag gute Gründe, es erst mal liegen zu lassen, und irgendwann hatte ich die Hoffnung aufgegeben, je das fertige Buch in der Hand zu halten.

Aber 2019 ist Norwegen Gastland der Frankfurter Buchmesse, es gibt wunderbar viele Bücher aus Norwegen, und die Verlagsentscheidung erweist sich als klug und umsichtig. Denn Lajla Rolstad teilt mit, voller Freude, weil sie bald ihr übersetztes Buch in der Hand halten kann, daß sie zwei neue Bücher fast fertig hat. Nämlich eine Fortsetzung ihres Kanadabuches „Wolfsinsel“ (ihr seht schon, Jack London!), und einen zweiten Steam-Punkroman, denn der unvergessene „Nekronaut“ war als Trilogie gedacht. (Lajla Rolstad hat ihre Examensarbeit im Fach Literaturwissenschaft über Bram Stoker geschrieben, da weiß sie doch, was sie tut!)

Und wenn sich also die „Wolfsinsel“ so gut verkauft, wie sie das verdient hat, muß der Verlag doch weitermachen und mich mehr von dieser wunderbaren Autorin übersetzen lassen. Das andere Buch aber, das ich nicht übersetzt habe, weil ich mich ja entscheiden mußte, erschien genau zu dem ursprünglich geplanten Zeitpunkt. Ihr kennt es alle: Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen.

 

Ein Beitrag von Gabriele Haefs zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig

 

 


Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag weitersagen:
Gabriele Haefs

Gabriele Haefs

3 Gedanken zu „Meine Abenteuer beim Übersetzen, 24: Wie ich einmal einen Bestseller nicht übersetzt habe“

  1. Ich bin ebenfalls neugierig auf die Bücher von Lajla Rolstad geworden, über die ich vor diesem Beitrag noch nichts wusste. Wie Du, Margarete, las ich bereits „Die Geschichte der Bienen“, die mir allerdings schon kurz nach ihrem Erscheinen geschenkt wurde – wohl wegen meiner Petitionsseite auf dem Blog – und noch nicht den Bestseller-Hinweis auf dem Cover hat.
    Gabriele beweist immer sehr viel Fingerspitzengefühl, so dass der btb Verlag gut beraten ist, ihr, was das Erscheinen der Bücher von Lajla Rolstad anbelangt, zu folgen!
    Ich mag die Abenteuerserie von Gabriele sehr. Zusammen mit ihren anderen Beiträgen, darüber hinaus den beiden von Karen Nölle und dem von Christel Hildebrandt, erschließt sich, dass ÜbersetzerInnen von Literatur doch einen äußerst vielseitigen Berufsalltag haben.

    1. Ich stimme dir zu, liebe Evelyn, dass ÜbersetzerInnen einen oftmals sehr abwechslungsreichen Alltag haben. Ich kenne einige Damen aus diesem Berufsstand und ziehe regelmäßig den Hut vor deren Können. Denn nur wenn diese ihre Arbeit gut machen, können die Bücher im Erscheinungsland auch groß werden.

  2. Die Geschichte der Bienen habe ich gelesen und jetzt steht Wolfsinsel auf meinem Wunschzettel.
    Danke für diese, wieder einmal humorige, Erfahrungen einer Übersetzerin. Diese eröffnen mir eine unbekannte Seite der Bücherwelt.

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