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Die Unaussprechlichen, oder #namethetranslator #werhatesuebersetzt

Die Autorin Anne Holt (rechts) und ihre Übersetzerin Gabriele Haefs (links) während einer Lesung – © Foto privat

Die Unsitte, bei Buchvorstellungen nicht zu erwähnen, dass jemand das Buch übersetzt hat, hält sich weiterhin hartnäckig. Manchmal so hartnäckig, dass man schon bösen Willen vermuten könnte, wenn man nicht unverbrüchlich an das Blöde im Menschen glaubte. Hier ist ein schöner Fall aus der Serie Die Unaussprechlichen. Krimifestival, hier werden keine Namen genannt, wie du mir, so ich dir, einerseits, und andererseits, vielleicht steckte ja ein System dahinter, das es noch zu ergründen gilt. Zwei Autorinnen werden vorgestellt, Kristina Ohlsson aus Schweden, aktuell mit ihrem Buch „Das Feuer im Bootshaus“ übersetzt von Susanne Dahmann, und Anne Holt aus Norwegen, aktuell mit „Eine Idee von Mord“, übersetzt von Gabriele Haefs.

Eine Dame vom Veranstaltungsort erscheint auf der Bühne, kündigt an, stellt die Beteiligten vor, kein Wort davon, dass jemand die Bücher übersetzt hat. Dann kommt die Moderatorin, stellt abermals die Beteiligten vor, nur die Übersetzerinnen bleiben unerwähnt. Dass zu solchen Lesungen immer viele Menschen kommen, die gern in die entsprechenden Länder fahren und dankbar sind für jedes Wort aus deren Sprachen, das irgendwo zu hören ist, ist allgemein bekannt. Dennoch wird das Gespräch mit den Autorinnen auf Englisch geführt, dann wird übersetzt. Oder auch nicht. Ob es an den Englischkenntnissen der Moderatorin lag oder ob sich auch hier ein ausgeklügeltes System verbarg, wer vermöchte es zu sagen? Jedenfalls übersetzte sie überaus konsequent die Pointen gar nicht oder falsch. Sagt die eine Autorin, lieber schösse sie sich in beide Kniescheiben, als etwas zu tun, was sie eben nicht tun will, wird dem Publikum mitgeteilt, lieber „würde Anne Holt sich erschießen“. Anne Holt erzählt, dass sie als Autorin, die im stillen Kämmerlein vor sich hinschreibt, bestimmt viel weniger interessante Leute kennenlernt als wenn sie z.B. Klempnerin geworden wäre. Die Moderatorin macht daraus: „Wenn sie einen anderen Beruf hätte.“ Erzählt Anne Holt, dass sie einen Experten gefragt hat, was passiert, wenn man eine Leiche in Chlorkalklösung tunkt, wird das übersetzt mit: „in eine chemische Mischung“. Leider wurde auch nicht nachgefragt, was dann passiert.

Arthur Schopenhauer 1788–1860 – Wikimedia von Johann Schäfer

Arthur Schopenhauer schreibt in einem Brief von einer todsicheren Methode, Geschlechtskrankheiten zu vermeiden: Nach getaner Tat den Penis in ein Glas mit Chlorkalklösung tunken. Später schreibt er nie wieder über irgendwelche Liebschaften oder Vögeleien und sieht auf Bildern überaus griesgrämig aus – was bestimmt mit diesem Mittel zusammenhängt. Das hat jetzt nichts mit der Lesung zu tun, es ist aber schön, auch mal Schopenhauer zitieren zu können, und es wäre auch schön gewesen, mehr zu erfahren. Die Moderatorin fragte aber nicht. Sie fragte auch nicht, warum Kristina Ohlssons Hauptperson August Strindberg heißt, oder was es für eine Mode ist, Krimihelden nach historischen Persönlichkeiten zu nennen, denken wir an Svend Foyn bei Jan Mehlum oder Jørn Lier Horsts Wisting. Ohlssons Strindberg sollte eigentlich Bestattungsunternehmer werden, aber dann fand sie es doch sinnvoller, ihn zum Trödelhändler zu machen. In der Übersetzung: Er sollte ursprünglich einen anderen Beruf haben. Solche Schlampereien würden sich echte Übersetzer:innen nie im Leben erlauben, ist das ein Grund, uns nicht zu erwähnen?

Nicht einmal dann, wenn die Autorinnen selbst es tun? Wenn Anne Holt z.B. eine dramatische Anekdote erzählt und erklärt, meine Übersetzerin Gabriele sitzt da unten und kann alles bestätigen, reagiert die Moderatorin auf das Stichwort und sagt, z.B.: „Ach, übrigens, wir haben noch nicht gesagt, wer die Bücher übersetzt hat“! Lieber übersetzt sie die Anekdote gar nicht erst, obwohl darin wirklich keine so schwierigen Wörter wie plumber, chlorinated lime oder untertaker vorkamen. Auch die Frage des Schauspielers, der die deutschen Texte vorlas, „wer hat das eigentlich übersetzt“, konnte sie zu auch nur zu der kleinsten Geste eigentlich selbstverständlicher Höflichkeit veranlassen.

Zum Glück kamen dann, während die Autorinnen signierten, etliche Leute und sagten: „Sie haben das ja übersetzt, wie schön, auch mal ein Gesicht zu dem Namen zu sehen“, und dann gab es Wein, und so wurde es doch noch ein schöner Abend, ganz ohne Moderatorin.

Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig


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Gabriele Haefs

Gabriele Haefs

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