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Wen ich gern übersetzen würde: Arthur Omre

Gabriele Haefs wünscht sich eine Neuübersetzung ins Deutsche von Arthur Omres „Flukten“

Wen ich gern übersetzen würde?

Arthur Omre – fotografiert von Narve Skarpmoen (Wikimedia)
Arthur Omre – © unbekannt

Das ist eine Frage, die oft gestellt wird, und die Fragenden denken dabei nicht an ein junges, aufstrebendes Talent aus „meinen“ Ländern. Gemeint sind immer die sogenannten KlassikerInnen, und natürlich, da liegen mir viele am Herzen. Manchmal klappt es ja auch schon, ich sage nur: Sigrid Undset (s. Meine Abenteuer beim Übersetzen, 29: Ich übersetze eine Nobelpreisträgerin) und Amalie Skram (zu der kommen wir hier auch noch). Aber dann gibt es da noch einen Herrn, von dem ich dachte, zur Buchmesse 2019, als Norwegen Gastland in Frankfurt war, wird er mir aus den Händen gerissen. Aber nix. Kein Interesse am „Jack London Norwegens“, wie er manchmal genannt wurde und wird, ARTHUR OMRE. Ich begreife es nicht, gebe mich aber nicht geschlagen. Arthur Omre hieß mit vollem Namen Ole Arthur Antonisen, das klingt gleich weniger abenteuerlich.

Er lebte von 1876 bis 1967 und war Ingenieur von Beruf. Was natürlich keine Beschäftigung ist für den Jack London Norwegens, und weil gerade kein Goldrausch im Angebot war, verlegte er sich aufs Schmuggeln. Dazu muss man wissen, dass es nach 1920 nach Vorbild der USA auch in Norwegen eine Prohibition gab, die aber noch grandioser scheiterte – die aber in Norwegen das Gewerbe der Schmuggler zu ganz neuen Höhen führte. Ein Blick auf die Landkarte mit der endlos langen Küste und den vielen versteckten Buchten sagt doch genug. Der arme Omre wurde mehrmals erwischt, landete im Knast, ließ sich aber nicht entmutigen und machte munter weiter, und als die Prohibition dann für misslungen erklärt wurde, fing er an zu schreiben.

Gabriele Haefs wünscht sich eine Neuübersetzung ins Deutsche von Arthur Omres „Flukten“
Gyldendal Norsk Forlag 1935

Unbedingt muss sein Roman „Smuggleren“ von 1935 übersetzt werden, bzw. neu übersetzt, es gibt eine Übersetzung von 1953, der Übersetzer aber übersetzt mit Vorliebe wortwörtlich, auch wenn es keinen Sinn ergibt: Wenn die Schmuggler nach getaner Tat z.B. „Bier, Gewürz und Schnaps“ trinken (gemeint ist: Kräuterbitter), oder wenn eine Frau sagt: „Das ist der Mann, der mir den Fußtritt versetzt hat“ (gemeint ist ihr Ex-Chef, der durchaus nicht getreten hat, sondern sie entlassen!). Es ist aber eine schöne Anekdote, dass der damalige Übersetzer wie sein Autor im Knast landete, er hatte als Schatzmeister der Hamburger SPD große Summen veruntreut, um Bücher herausgeben zu können. Aber das nur nebenbei.

Omre schreibt kurz und knapp, in hastigen, atemlosen Sätzen, kurzen Szenen, gehetzt, wie seine Romanpersonen eben von der Wasserpolizei gehetzt wurden. Zwischendurch gibt es eine zum Scheitern verurteilte Liebschaft, weil der arme Schmuggler schon wieder erwischt worden ist, oder eine wirklich rührende Weihnachtsgeschichte:  Die beiden Söhne einer armen Witwe, die sich als Laufburschen im Hafen ein bisschen was verdient hatten, ruderten nun los, in der Hoffnung, auf ein deutsches Schnapsschiff zu stoßen. Es war eine eisigkalte Winternacht, die Knaben wurden total durchgefroren und durchnässt an Bord gehievt, bekamen einen steifen Grog und eine heiße Suppe – und die Seeleute schenkten ihnen zwei Flaschen Schnaps, also fast ein kleines Vermögen!

Gabriele Haefs wünscht sich eine Neuübersetzung ins Deutsche von Arthur Omres „Smuglere“
Ausgabe: Gyldendal 1975

Das ist nun nur ein Roman von vielen, es gibt noch viele andere, mit so verheißungsvollen Titeln wie „Die Flucht“ (weitere Episoden aus dem Schmugglerleben), „Die Seufzerbrücke“, „Der böse Blick“ oder „Harmonie“ (kein Wort davon ist wahr). Außerdem hat er grandiose Kurzgeschichten geschrieben. Eine darf in keiner norwegischen Anthologie fehlen. Zwei Männer rudern zum Angeln hinaus, und es stellt sich heraus, der eine ist der Gatte, der andere der Liebhaber einer Frau, die sich derweil an Land amüsiert. Wir erwarten die ganze Zeit, dass der eine den anderen vor lauter Eifersucht umbringt, aber die Herren kommen sich näher, als sie über Kochrezepte reden. „Wie bereiten Sie denn die Fische so zu, die Sie hier oder sonstwo angeln?“ Sie kommen zu dem Schluss, dass nichts über „Aal in Curry“ geht (so heißt die Geschichte) und rudern zufrieden wieder an Land.

Das ist nur ein kleiner Einblick ins Schaffen dieses großen Autors, und wir könnten so viel mehr liefern, wenn sich nur endlich ein Verlag fände. Also, Verlage, meldet euch!

Ein Beitrag von Gabriele Haefs zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig


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Gabriele Haefs

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