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#namethetranslator

Ein schönes Motto und praktisch auf Englisch, weil es zu jederlei Geschlecht passt. Und wichtig in jeder Sprache … weil es immer noch vorkommt, dass über Bücher geschrieben wird, ohne zu erwähnen, dass jemand dieselben übersetzt hat.

Deutscher Jugendliteraturpreis 2008, Sonderpreis fürs Gesamtwerk für Gabriele Haefs (rechts)
überreicht vom Moderator Marc Langebeck (links) – © Foto: privat

Vor Jahren habe ich einmal einen wichtigen Preis bekommen, dazu gab es dann Interviews, es wurde immer wieder gefragt, ob es nicht ärgerlich sei, dass die Übersetzenden so oft nicht genannt würden … und ich hatte ein Beispiel, das ich sehr schön fand. Nämlich, dass wohl niemand auf die Idee kommen würde, eine Musikaufnahme zu rezensieren und zu erwähnen, wer das Stück komponiert hat, den Namen der ausübenden Solistin jedoch zu verschweigen. Ich stellte mir dabei eine mittelalterliche Harfnerin vor. Im Laufe der Jahre habe ich das oft zitiert gefunden, allerdings wurde aus der Musikaufnahme ein „Klavierkonzert“ und aus meiner Solistin ein Pianist. Ansonsten hat sich nicht viel geändert, die Solistin wird weiterhin sehr oft nicht genannt.

Was tun? Wenn eine meiner Übersetzungen rezensiert und zum Beispiel die bildreiche Sprache der Autorin gelobt wird, während nicht gesagt wird, dass jemand das Teil übersetzt hat, samt der bildreichen Sprache, dann könnte ich natürlich einen wutschnaubenden Brief schreiben, aber ich fürchte, ich würde als beleidigte Leberwurst dastehen und nicht weiter ernstgenommen werden.

Eine andere Lösung scheint mir eleganter! Ich schreibe, dass es sich bei Buch XY offenbar um eine Übersetzung handelt, für mich als potentielle Buchkäuferin sei aber sehr wichtig zu wissen, von wem die Übersetzung stammt, also holt das gefälligst nach, ihr Ignorantenpack (letzteres ein bisschen höflicher ausgedrückt).

Auch diese Lösung ist elegant: Der Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen (VdÜ) hat vor Jahren mal die „Übersetzerdistel“ ins Leben gerufen, ein Bild einer stacheligen Distel also, dazu ein höflich formulierter Text:
„Wie schade, dass Sie es versäumt haben, den Namen der Übersetzerin/des Übersetzers zu nennen! Wie schade, dass Sie deren/dessen (nach)schöpferische literarische Leistung mit keinem Wort erwähnen! Weil eine solche Unterlassung mehr ist als bloße Unhöflichkeit, soll Sie unsere Übersetzerdistel mit stacheligen Grüßen dazu einladen, Ihrem Publikum bei nächster Gelegenheit mit besserer Expertise zu dienen – und den Übersetzenden mit mehr kollegialer Solidarität.“

Was passiert dann? Meistens gar nichts. Manchmal kuriose Dinge.

• Eine Person von einem Rundfunksender schrieb mir, in der Tat, das Buch sei eine Übersetzung, sie werde vorschlagen, demnächst zu erwähnen, wer welche Bücher übersetzt hat. Den Namen des Übersetzers nannte sie aber nicht (den hatte ich natürlich längst ergoogelt, aber dennoch!).

• Eine Rezensentin schrieb mir, die Übersetzung sei ja auch schlecht gewesen, zweifellos nicht von einer „professionellen Übersetzerin“ gemacht, und ich sollte doch froh sein, wenn solche Leute nicht erwähnt würden, die solchen wie mir am Ende noch Aufträge wegschnappten. Und wie ich die Frechheit besitzen könnte, ihr über die Redaktion zu schreiben, statt mir ihre Privatadresse zu besorgen …

• Ein Redaktionsmann – aber dieses Beispiel hab ich von einer Kollegin, es ist kein eigenes Erlebnis – schrieb, er selbst habe schon „hunderte von Büchern“ übersetzt und ihm sei es „scheißegal“ (seine Worte), ob er als Übersetzer erwähnt werde. Regt euch nicht auf, das schrieb er nicht, aber so war das ja wohl zu verstehen. Ob das mit den „hunderten von Büchern“ stimmt, hab ich nicht überprüft.

• Ein Chefredakteur schrieb in seiner Zeitschrift: „Wenn wir ein Buch vorstellen, nennen wir Titel, Autor, Verlag, Seitenzahl und Preis – aber nie, wer es übersetzt hat. Deswegen bekamen wir kürzlich einen zornigen Brief und die »Übersetzerdistel«. Diese »Auszeichnung« erhalten Medien, die die Leistung der Übersetzer geringschätzen. Das tun wir gar nicht, uns fehlt schlicht der Platz, deren Namen zu nennen.“ „Zorniger Brief“, ich finde den Text zur Übersetzerdistel ja eher höflich, das Lay-Out der Zeitschrift zeigt übrigens, dass genug Platz wäre. Wenn zum Beispiel auf vier Seiten Bücher zur Umweltproblematik vorgestellt werden, davon mehrere Übersetzungen, jeweils ein Drittel der Seite blieb frei, die Bücher waren abgebildet. Der Autor des Beitrags schrieb mir dann:
„… ich versuche mein Bestes. Und scheinbar gelingt mir das auch immer wieder mal, xxxx (hier waren etliche KollegInnen genannt) schreiben oder sagen mir immer wieder, dass sie dankbar sind für meine aufmerksamen Lektüren und den Blick auf Sprach- und Übersetzungsleistung. Ich hoffe, dass ich bald auch Sie einmal davon überzeugen kann und Ihrer jetzigen Erfahrung bei der Lektüre meines Textes eine bessere gegenüberstellen kann.“

Das klingt nett, aber auch irgendwie herablassend, wie „Hab dich nicht so, Kleine“, und sehr deprimierend, aber wir sollten nicht aufgeben – und wer das hier liest, soll auch einen höflichen Brief schreiben, wenn sie wieder auf eine Rezension ohne ÜbersetzerInnennennung finden. Steter Tropfen usw. man kennt das ja. Und ganz selten passiert etwas Schönes. Und deshalb nenne ich hier Ross und Reiter, sozusagen. In „Für Vielfalt“, der Zeitschrift der Gesellschaft für bedrohte Völker, wurde das Buch „Das Leuchten der Rentiere“ von Ann-Helén Laestadius rezensiert, übersetzt von Maike Barth und Dagmar Mißfeldt, die jedoch nicht erwähnt waren. Ich schrieb also meinen Brief – und bekam postwendend einen zurück. In dem stand: „In der Tat ist das Fehlen der ÜbersetzerInnen in unseren aktuellen Rezensionen mehr als nur ein kleiner Lapsus. Wir werden ihn in der kommenden Ausgabe umgehend korrigieren und die Übersetzungsarbeit zukünftig wieder besser benennen.“ Bitte sehr, geht doch! Nun ist die nächste Nummer noch nicht erschienen, ich warte gespannt und werde berichten.

Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig


Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag weitersagen:
Gabriele Haefs

Gabriele Haefs

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